Es ist Spätherbst. Kalt. Windig. Meine zarten Flügel zittern im Luftstrom. Es wird Zeit. Ich suche mir schnell einen windstillen, geschützten Platz. Da, wie verlockend! Durch das Fenster, schnell in diesen großen, dunklen Hausflur.
Der Winterschlaf beginnt.
Stunden, Tage, Wochen vergehen.
Irgendwann zwischendurch berührt mich etwas sanft, eine Stimme sagt “Ob er noch lebt?“. Die Dunkelheit holt mich wieder ein.
Ein Sonnenstrahl kitzelt meine Fühler. Nach Monaten erwache ich. Der Frühling ist da, endlich!
Ich versuche die wenigen Sonnenstrahlen zu erhaschen, die durch das Fenster fallen. Zu wenig. Und kein Luftzug. Warum ist hier kein Luftzug? Zitternd bewege ich meine bunten Flügel. Zu wenig Sonne. Ich warte noch etwas. Der Hunger wird immer größer.
Vorsichtig versuche ich zu fliegen, ja es klappt! Ich fliege am Fenster auf und ab, kein Durchkommen. Ich sehe die nährenden Blumen, ich sehe die energiebringende Sonne! Aber ich schaffe es nicht. Kein Weg. Ich weiß nicht wohin. Es muss hier doch irgendwo eine Öffnung hinaus geben? Ich finde sie nicht. Ich fliege in den dunklen Flur. Kein Luftzug. Keine Sonne.
Erschöpft lasse ich mich auf einer Treppenstufe nieder. Meine Kräfte haben mich verlassen. Keine Licht, keine Wärme. Kein...Plötzlich eine Erschütterung. Ich schaffe es nicht mich in
Sicherheit zu bringen. Wie erstarrt sitze ich dort, bewegungsunfähig, wartend.
Jemand hebt mich vorsichtig hoch. „Er lebt noch! Was für ein Glück!“. Warmer Atem streift meine Flügel. Ich bleibe auf der Hand sitzen, ganz still.
Ich werde zu einer sonnigen Fensterbank getragen. Die Sonne dort gibt mir langsam meine Energie zurück.
Und was ist das für ein Duft? Auf einmal steht etwas auf der Fensterbank, eine merkwürdige Blume: rechteckig und pink. Sie duftet so herrlich nach Zucker. Ich versuche dorthin zu fliegen. Zu weit weg. Sehnsüchtig schaue ich den Nektar? an. Etwas hebt mich wieder hoch. Ganz sanft. Und setzt mich auf die Blume.
Die Oberfläche ist merkwürdig. Voller kleiner Löcher. Genau richtig für mich. Durstig sauge ich das Lebenselixier. Mehr und mehr. Pause. Zeit für ein Sonnenbad.
Danach: wieder trinken. Mehr davon!
Ich spüre wie Zucker und Sonne meinen kleinen Körper durchströmen.
Meine bunten Flügel zittern. Kraft und Energie durchfluten mich. Die weite Welt ruft, ich hebe ab.
Das Fenster öffnet sich, Freund Frühlings-Wind begrüßt und umarmt mich.
Ich fliege nach draußen. Endlich.
In die Freiheit, der Sonne entgegen.
Hintergrund:
Diese kleine Schmetterlingsserie lag, bis auf den Auszug „absolute freiheit“, viel zu lange unbeachtet im Archiv. Passend zum Frühlingserwachen hier nun die komplette Serie. Vielleicht hilft sie ja den einen oder anderen kleinen Schmetterlings zu retten.
Zum Schmetterling oben: Der kleine Fuchs gehört zu den wenigen Schmetterlingsarten die überwintern. Bevorzugt werden frostfreie, dunkle geschützte Nischen. Fatal können Plätze wie Dachböden, Garagen oder Hausflure sein, die zu dem Zeitpunkt des Erwachens keinen Weg mehr nach draußen aufweisen. Auch dürfen die Plätze, in denen der kleine Fuchs überwintert, nicht zu warm sein (Austrocknungsgefahr!).
Der Schmetterling wurde mit mit einer Zuckerwassermischung gestärkt. Hierfür einfach einen frischen Schwamm mit der Mischung durchtränken.
Warum ein Schwamm? Die Oberfläche bietet dem Schmetterling guten Halt, der Schmetterling kann problemlos die Lösung zu sich nehmen und er verklebt nicht, die Verletzungsgefahr ist also
verringert.
Weitere Informationen zu Schmetterlingen: